A. Schulze Schwienhorst Haftpflichtonlineportal, 1. Edition, Stand 31.07.2016
II. Allgemeines zur Fälligkeit
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Bei der Frage nach der Fälligkeit geht es darum, wann der Versicherer seine Leistung zu erbringen hat. Die gesetzliche Regelung findet sich in § 106 VVG. Zu unterscheiden ist zwischen der Fälligkeit des Abwehranspruchs aus § 100 2. Alt VVG und der Fälligkeit des Freistellungsanspruchs aus § 100 1. Alt VVG.
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Ein Anspruch ist grundsätzlich ab dem Zeitpunkt fällig, ab dem der Gläubiger berechtigt ist, die Leistung vom Schuldner zu fordern.[1] Dem Versicherungsnehmer steht das Recht zu, die Abwehrleistung des Versicherers ab dem Zeitpunkt zu fordern, ab dem der Dritte seinen Haftpflichtanspruch geltend macht.[2] Das Geltendmachen eines Anspruches liegt in jeder ernstlichen (auch außergerichtlichen) Erklärung, die darauf schließen lässt, dass der Dritte glaubt, Schadenersatzansprüche gegen den Versicherungsnehmer zu haben und diese auch verfolgen wird.[3]
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Den Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmers hat der Versicherer spätestens nach Ablauf von zwei Wochen, nachdem der Haftpflichtanspruch des Dritten mit bindender Wirkung für den Versicherer festgestellt worden ist, zu erfüllen (§ 106 Satz 1 VVG). Ebenfalls innerhalb einer Frist von zwei Wochen ist der Versicherungsnehmer in Fällen einer Befriedigung des Schadenersatzanspruchs durch den Versicherungsnehmer selbst zu entschädigen (§ 106 Satz 2 VVG). Eine zweiwöchige Frist gilt nach Satz 3 auch für nach § 101 VVG zu ersetzende Kosten. Die Berechnung der Frist erfolgt in allen Fällen nach den §§ 187 ff. BGB.[4] Der Fristbeginn liegt hier in der Mitteilung der Kostenberechnung. § 106 Satz 3 VVG findet nur in dem Sonderfall Anwendung, dass der Versicherungsnehmer selbst und nicht der Versicherer die Anspruchsabwehr durchführt.[5] In der Regel wird der Versicherer den Prozess selbst führen und dementsprechend auch die Kosten des Rechtsschutzes unmittelbar tragen. Unterliegt der Dritte in einem Prozess, den der Versicherungsnehmer selbst geführt hat, so muss der Versicherungsnehmer sich für die Kostenerstattung nicht an den Dritten halten, sondern kann sich direkt an den Versicherer wenden.[6]
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Die Ausgestaltung der Fälligkeitsregelung in den AHB ist in Ziff. 5.1 erfolgt und entspricht der gesetzlichen Regelung des VVG inhaltlich.
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§ 106 VVG ist halbzwingend, vgl. § 112 VVG. Das bedeutet, dass ein Abweichen zum Nachteil des Versicherungsnehmers unzulässig ist. Der Versicherer kann seinen AHB also keine Klausel zugrunde legen, die bestimmt, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer erst 4 Wochen nachdem Bindungswirkung eingetreten ist, freistellen muss. Eine Pflicht, den Versicherungsnehmer unverzüglich freizustellen, könnte hingegen vereinbart werden.[7]
Zur Vertiefung:
- § 106 Satz 1 - bindende Wirkung für den Versicherer?
- Sofortige Fälligkeit in Sonderfällen?
- § 106 Satz 2 - Befriedigung mit bindender Wirkung für den Versicherer?
[1] Lorenz in Bamberger/Roth, § 271 Rn. 2.
[2] Vgl. Lücke in Prölss/Martin, § 106 Rn. 1.
[3] Harsdorf-Gebhardt in Späte/Schimikowski, Ziffer 5 AHB Rn. 8.
[4] Vgl. Schneider, Einl. S. 58 f., § 154 S. 442.
[5] Vgl. H. Baumann in Berliner Kommentar zum VVG, § 154 Rn. 9.
[6] Littbarski in Langheid/Wandt, § 106 Rn. 73.
[7] Littbarski in Langheid/Wandt, § 106 Rn. 76.
Zitiervorschlag: Schulze Schwienhorst in Haftpflichtonlineportal, Stand 31.07.2016, A. Rn. x
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