A.                          Schulze Schwienhorst                    Haftpflichtonlineportal, 1. Edition, Stand 31.07.2016

3. Versicherte Personen

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§ 102 Abs. 1 Satz 1 VVG erweitert den Versicherungsschutz auf das Handeln aller Personen, die in einem Dienstverhältnis zum versicherten Unternehmen stehen. Die Mitversicherung dieses Personenkreises dient nicht nur den versicherten Personen selbst, sondern insbesondere auch den geschädigten Dritten, denen damit in jedem Fall ein solventer Schuldner gegenübersteht.[1] Auch ist das praktische Ergebnis zu beachten, dass es bei positiver Feststellung des Haftpflichtanspruchs nicht mehr darauf ankommt, exakt zu ermitteln, ob der Versicherungsnehmer selbst oder eine in seinem Dienstverhältnis stehende Person haftet.[2] Von Bedeutung ist, dass auch der Eintritt und Wechsel oder Austritt des gesetzlich mitversicherten Personenkreises aus dem versicherten Unternehmen die allgemein eingegangene Haftpflichtversicherung als solche nicht berührt.[3]

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  • Der Unternehmensträger als Versicherungsnehmer
    Unternehmensträger ist der Betriebsinhaber/ Betreiber eines Unternehmens selbst als natürliche Person, eine Kapitalgesellschaft, jede rechtsfähige Organisationsform oder Personengesellschaft[4].
  • Befugte Unternehmensvertreter
    Vertretungsbefugnis ist als Bevollmächtigung, Berechtigung oder Ermächtigung zu verstehen.[5] Der Versicherungsumfang erstreckt sich somit auf alle Personen, die infolge gesetzlicher Vertretungsmacht oder rechtsgeschäftlich erteilter Vollmacht (vgl. §§ 166 Abs. 2 Satz 1, 167 BGB) zur Vertretung des Unternehmens ermächtigt sind.[6] Als gesetzliche Vertreter des Unternehmens sind insbesondere die Organe des Unternehmens, etwa Vorstände und Geschäftsführer, zu nennen.[7] Weitere Vertretungsbefugnisse ergeben sich kraft rechtsgeschäftlicher Bevollmächtigung in Form der Prokura oder Handlungsvollmacht nach §§ 48 ff. HGB.
  • Personen, die in einem Dienstverhältnis zum Unternehmen stehen
    In einem Dienstverhältnis stehen alle Personen, die unmittelbar für das Unternehmen tätig werden, unabhängig davon, wie diese Tätigkeit im Einzelnen vertraglich geregelt ist. Nach dem Wortlaut ist nur ein „Verhältnis“ Voraussetzung. Eine (dienst-)vertragliche Beziehung führt damit zwar stets zur Einbeziehung in den Versicherungsschutz, ist dafür aber nicht zwingend erforderlich. So sind z.B. Arbeitsverträge nicht notwendig und daher auch etwa Leiharbeiter oder mithelfende Familienangehörige erfasst.[8]
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Alle drei Gruppen haben gemein, dass sie mit Wissen und Wollen des Versicherungsnehmers im betrieblichen Bereich tätig werden.[9] Anders als noch vor der VVG-Reform 2008 sind also nicht nur Vertreter des Versicherungsnehmers und zur Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebs angestellte Personen vom Versicherungsschutz erfasst. Vielmehr sind alle natürlichen Personen, die anlässlich einer betrieblichen Tätigkeit haftpflichtig werden, versichert. Insbesondere sollte durch die Neufassung des § 102 VVG eine Mitversicherung von Arbeitnehmern erreicht werden.[10] Diese mussten, was auch üblich war, vor 2008 noch über gesonderte Abreden in den Versicherungsverträgen mitversichert werden.

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Die Mitversicherung Dritter nach § 102 Abs. 1 Satz 1 VVG stellt eine Versicherung für fremde Rechnung dar, § 102 Abs. 1 Satz 2 VVG. Die allgemeinen Vorschriften der §§ 43 ff. VVG finden Anwendung und bestimmen die rechtliche Stellung der Mitversicherten.[11] Nach §§ 44 Abs. 1, 100, 102 Abs. 1 VVG erwirbt die mitversicherte Person mit Eintritt des Versicherungsfalles grundsätzlich einen unmittelbaren Anspruch gegen den Versicherer. Der Versicherungsnehmer kann jedoch über die Rechte, die den versicherten Personen aus dem Versicherungsvertrag zustehen, im eigenen Namen verfügen, vgl. § 45 Abs. 1 VVG. Das Verfügungsrecht des Versicherungsnehmers ist aber immer dann eingeschränkt, wenn er die Ansprüche des Mitversicherten entgegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) gegenüber dem Versicherer nicht oder nicht mehr geltend machen will.[12] Auch die Zurechnungsnorm des § 47 Abs. 1 VVG findet Anwendung.

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Beispiel:

Ein bei einem Küchenmontageunternehmen angestellter Elektriker führt im Rahmen eines Auftrags Bohrarbeiten durch, obwohl er kein Strommessgerät mit sich führt. Dabei nimmt er billigend in Kauf, eine Stromleitung zu beschädigen. Tritt ein Schaden tatsächlich ein, so kann sich der Versicherer ihm gegenüber auf Leistungsfreiheit berufen, §§ 102 Abs. 1 Satz 2, 47 Abs. 1, 103 VVG.

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Etwas anderes gilt jedoch für den Unternehmensträger selbst. Hinsichtlich des eigenen Versicherungsanspruchs des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer sind allein die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers bedeutsam. Kann dem Versicherungsnehmer hinsichtlich eines Versicherungsfalles, den unmittelbar die mitversicherte Person vorsätzlich herbeigeführt hat, lediglich Fahrlässigkeit vorgeworfen werden, besteht der Versicherungsanspruch des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer weiterhin.[13] Etwas anderes gilt nur dann, wenn es sich bei der vorsätzlich handelnden mitversicherten Person um einen Repräsentanten des Versicherungsnehmers handelt. Als Repräsentant des Versicherungsnehmers einer betrieblichen Haftpflichtversicherung kommt z.B. ein Betriebsleiter mit eigenständigen Entscheidungsbefugnissen in Betracht.[14]

 

→ Weiter zu: Unternehmensübernahme durch einen Dritten


[1]   Zur Bedeutung der Betriebshaftpflichtversicherung H. Baumann in Berliner Kommentar, § 151 Rn. 5.

[2]   Zur praktisch wichtigen Folge Schneider, § 151 S. 431.

[3]   Schneider, § 151 S. 432.

[4]   Micklitz/Purnhagen in Münchener Kommentar zum BGB, § 14 Rn. 9.

[5]   Vgl. zur Vertretungsmacht Mansel in Jauernig, § 164 Rn. 6 ff.

[6]   Anders Littbarski in Langheid/Wandt, § 102 Rn. 83, der unter befugte Unternehmensvertreter nur gesetzliche Vertreter fasst, rechtsgeschäftlich Bevollmächtigte aber über das „Dienstverhältnis“ in den Versicherungsschutz integriert.

[7]   H. Baumann in Berliner Kommentar, § 151 Rn. 9; Littbarski in Langheid/Wandt, § 102 Rn. 82.

[8]   So auch Retter in Schwintowski/Brömmelmeyer, § 102 Rn. 14.

[9]   Littbarski in Langheid/Wandt, § 102 Rn. 94; v. Rintelen in Beckmann/Matusche-Beckmann, § 26 Rn. 26.

[10]   Begr. RegE BT-Drucks. 16/3945 S. 85.

[11]   Lücke in Prölss/Martin, § 102 Rn. 16.

[12]   H. Baumann in Berliner Kommentar, § 151 Rn. 13 mit Verweis auf BGH VersR 1983, 823, 824.

[13]   Vgl. dazu Littbarski in Langheid/Wandt, § 103 Rn. 74 f.

[14]   Mit Beispielen Schimikowski in Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 103 Rn. 9 f.

Zitiervorschlag: Schulze Schwienhorst in Haftpflichtonlineportal, Stand 31.07.2016, A. Rn. x

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