B.                          Schulze Schwienhorst                    Haftpflichtonlineportal, 1. Edition, Stand 31.07.2016

I. Weisungsrecht des Versicherers

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Das Recht des Versicherers, dem Versicherungsnehmer Weisungen zu erteilen, findet sich in der Haftpflichtversicherung in verschiedenen Zusammenhängen wieder:

  • So sprechen u.a. § 82 Abs. 2 Satz 1 VVG bzw. Ziff. 25.2 Satz 2 AHB von Weisungen, die der Versicherungsnehmer im Rahmen der Schadenabwendungs- und Minderungspflicht grundsätzlich zu befolgen hat.
  • Eine einmal durch den Versicherer erteilte Weisung, „es zum Rechtsstreit über den Anspruch des Dritten kommen zu lassen“, berechtigt den Versicherungsnehmer zur Kündigung des Vertragsverhältnisses, § 111 Abs. 1 Satz 2 VVG.
  • Gleichzeitig hat der Versicherer diejenigen Kosten zu erstatten, die auf seine Weisung zur Verteidigung im Strafverfahren aufgewendet worden sind (§ 101 Abs. 1 Satz 2 VVG).
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Das Recht, Weisungen zu erteilen, folgt aus der vollumfänglichen, im Außenverhältnis unbeschränkten Regulierungsvollmacht des Versicherers, über die dieser im Rahmen der Abwicklung eines Versicherungsfalls verfügt.[1] Im Rahmen seiner Vollmacht ist der Versicherer schon nach dem Wortlaut von Ziff. 5.2 AHB dazu berechtigt, alle erforderlichen Erklärungen im Namen des Versicherungsnehmers abzugeben. Grund dafür ist das Interesse des geschädigten Dritten, sich bei der Schadenabwicklung an einen Ansprechpartner halten zu können, auf dessen „Wort“ er sich verlassen kann.[2]

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Im Zusammenhang mit der Regulierung des Versicherungsfalls wird der Versicherer zum Teil auf die Mitwirkung des Versicherungsnehmers angewiesen sein. Insofern ermöglicht das Weisungsrecht dem Versicherer, von seiner Regulierungsvollmacht in ganzem Umfang Gebrauch zu machen und soll so auch der sachgerechten Wahrnehmung der Interessen des Versicherungsnehmers dienen.[3]

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Beispiele:

  1. Der Versicherungsnehmer hat eine Serie mangelhafter Implantate hergestellt. Diese Implantate wurden als künstliche Kniegelenke bei einer Vielzahl von Patienten eingesetzt. Der Versicherer erkennt im Rahmen der Schadenregulierung die Fehlerhaftigkeit der hergestellten Implantate. Er weist den Versicherungsnehmer zur Vermeidung von weiteren Personenschäden an, die betroffenen Patienten zu informieren und gegenüber den behandelnden Ärzten auf einen Austausch der Implantate zu drängen.
  2. Das versicherte Unternehmen unterhält bei dem Versicherer eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung, die Eigenschäden umfasst. Der Versicherer ist im Rahmen seines Weisungsrechtes berechtigt, Stellungnahmen der Angestellten des versicherungsnehmenden Unternehmens zur Aufklärung eines möglicherweise eingetretenen Versicherungsfalls anzufordern.[4]
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Im Innenverhältnis begrenzt ist die Regulierungsvollmacht durch die berechtigten Interessen des Versicherungsnehmers. Im Falle einer Interessenkollision hat der Versicherer stets wie ein beauftragter Anwalt des Versicherungsnehmers zu handeln.[5] Diese Einschränkung der Regulierungsvollmacht strahlt auch auf den Umfang des Weisungsrechts des Versicherers aus.

 


[1]   Dazu Diller in AVB-RSW 2009, § 5 Rn. 51.

[2]   BGH NJW 2007, 69, 71.

[3]   BGH VersR 1992, 1504.

[4]   In Anlehnung an BGH r+s 2015, 600.

[5]   BGH VersR 1992, 1504.

Zitiervorschlag: Schulze Schwienhorst in Haftpflichtonlineportal, Stand 31.07.2016, B. Rn. x

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