B.                          Schulze Schwienhorst                    Haftpflichtonlineportal, 1. Edition, Stand 31.07.2016

b) Kein Verbot der Abtretung an den Dritten in Allgemeinen Bedingungen, § 108 Abs. 2 VVG

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Nach § 108 Abs. 2 VVG kann die Abtretung des Freistellungsanspruchs an den Dritten nicht durch Allgemeine Versicherungsbedingungen untersagt werden. Das in Ziffer 28 der AHB normierte Abtretungsverbot des Freistellungsanspruchs betrifft schon dem Wortlaut in Satz 2 nach nicht die Abtretung an den geschädigten Dritten. Die fehlende Möglichkeit, die Abtretung des Freistellungsanspruches an den Dritten durch AVB zu verbieten, stellt zunächst eine Beschränkung der Vertragsfreiheit von Versicherer und Versicherungsnehmer dar. Allerdings ist die individualvertragliche Vereinbarung des Abtretungsverbotes an den Dritten weiterhin zulässig. So ist den Vertragsparteien die Vereinbarung des Abtretungsverbotes des Freistellungsanspruchs an den Dritten nicht gänzlich unmöglich und untersagt. Im Ergebnis sind solchen Vereinbarungen jedoch enge Grenzen gesetzt. Die Formulierung individueller Vereinbarungen ohne Nutzung formulierter Bedingungen ist im Anwendungsbereich des VVG selten. Selbst wenn keine Aufnahme eines Abtretungsverbotes in das allgemeine Bedingungswerk erfolgt, dürften auch die im Wege eines „Sideletters“ getroffene Vereinbarung einer AGB-rechtlichen Kontrolle unterliegen. Das Abweichen vom gesetzlichen Leitbild des § 108 VVG darf danach keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers darstellen. Dies dürfte nur in seltenen Ausnahmen der Fall sein.

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Individualvereinbarungen, im Rahmen derer ein Verbot der Abtretung des Freistellungsanspruchs an den geschädigten Dritten vereinbart wird, sind vereinzelt im Bereich der D&O-Versicherungen zu beobachten. Die Vereinbarungen sollen eine Abtretung an das geschädigte Unternehmen als Versicherungsnehmer verhindern, damit die Verteidigungsbereitschaft der versicherten Person fortbesteht. Zudem führt die Möglichkeit der Abtretung zu dem paradoxen Ergebnis, dass der Versicherungsnehmer, der grundsätzlich stets ein Interesse an der Anspruchsabwehr besitzt, selbst Gläubiger des Zahlungsanspruches wird und das Abwehrinteresse somit verliert.[1] Zählt man den Versicherungsnehmer aber zum Kreis der Dritten i.S.v. § 100 VVG, so ist eine Abtretung möglich. Dafür spricht vor allem, dass i.R.d. Versicherung für fremde Rechnung nach §§ 43 ff. VVG ein berechtigtes Interesse daran besteht, die Beziehung zwischen Versicherungsnehmer und versicherter Person nicht durch einen Rechtsstreit vor Gericht weiter zu belasten.[2]

 

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[1]   Vgl. Schimikowski in Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 108 Rn. 6; Schimmer VersR 2008, 875, 878 f.

[2]   Für eine weite Auslegung des Begriffs „Dritter“ BGH VersR 2016, 786, 788; Langheid VersR 2009, 1043 m.w.N.

Zitiervorschlag: Schulze Schwienhorst in Haftpflichtonlineportal, Stand 31.07.2016, B. Rn. x

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